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Europa tickt anders
Am 09. März hat die EZB mit dem groß angelegten Ankaufprogramm für europäische Anleihen begonnen. Damit startet der monatliche Ankauf von Staatsanleihen, Pfandbriefen und forderungsbesicherter Wertpapiere in einer Größe von 60 Mrd. Euro. In der Vergangenheit reagierten Anleihen bei ähnlich angelegten Kaufprogrammen in den USA mit fallenden Preisen auf diesen offiziellen Beginn. Der Grund für diese Reaktion liegt in der Eigenschaft des Kapitalmarktes Ereignisse bereits vor ihrem Eintreten einzupreisen. Man kann dies mit dem alten Börsensprichwort „buy the rumor sell the fact“ gut umschreiben. In der Eurozone scheint dieses Sprichwort keine Gültigkeit zu besitzen. Die Preise für Anleihen zogen mit dem Start des EZB-Kaufprogramms erneut deutlich an und erreichten in vielen Fällen neue Höchststände.
Die Gründe für dieses auf den ersten Blick atypische Verhalten der europäischen Anleihemärkte liegen in der Beschaffenheit des Finanzsystems. Die Markttiefe in der Eurozone ist deutlich geringer als in den USA. Das bedeutet, dass die gehandelten Anleihen, die im Umlauf sind und durch die EZB erworben werden könnten, in deutlich geringerem Umfang vorhanden sind als auf dem US-Markt. Dieser Sachverhalt rührt daher, dass viele Banken, Versicherer oder Rentenkassen gezwungen sind, Anleihen zu kaufen, die nicht unterhalb einer bestimmten Qualität (Ratings) liegen. Diese Marktteilnehmer halten die Anleihen – in den meisten Fällen Staatsanleihen – oft bis zur Endfälligkeit. Die EZB-Käufe führen daher zu einer Verknappung des Angebots der gehandelten Wertpapiere. Das Resultat sind steigende Anleihepreise und dementsprechend weiter fallende Renditen. Da sich die EZB dem beschriebenen Sachverhalt durchaus bewusst ist, werden auch Anleihen mit negativen Renditen erworben. Bereits heute handeln über 60 % der deutschen und 45 % der französischen Anleihen mit negativen Renditen. Dies bedeutet nichts anderes, als dass man heute dem Emittenten für den Erwerb eine Prämie zahlt und bei Endfälligkeit daher weniger als seinen ursprünglichen Kapitaleinsatz zurückbekommt. Aufgrund der beschriebenen Markteigenheiten in der Eurozone kann man davon ausgehen, dass die Renditen dauerhaft auf dem heutigen Niveau verbleiben werden bzw. noch weiter fällen könnten.
Auswirkung der EZB-Geldpolitik auf die Märkte
Die durch die EZB tief in den Keller gedrückten Renditen sollen, so die Hoffnung der Notenbanker, Anreize schaffen, neue Kredite zu vergeben. Die massiven Anleihekäufe der EZB wirken dabei nicht nur auf die relativ sicheren Anleihen, sondern lösen vielmehr eine Art Kettenreaktion aus. Viele Anleger, die auf einen bestimmten Ertrag angewiesen sind, weichen daher auf riskantere Märkte aus. Durch die so verursachten steigenden Kurse, sinken die Kapitalkosten für jegliche Arten der Finanzierung (Kredite, Anleihen, Eigenkapital, etc.). Dieses Phänomen lässt sich sehr leicht an den fallenden Renditen der Anleihemärkte ablesen. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten, mit relativ geringem Risiko, eine annehmbare Rendite zu erzielen, nicht mehr existent. Viele Bürger sparen daher weniger und konsumieren lieber. Durch diese Kombination von geringen Zinsen und steigendem Konsum, soll der Wirtschaftskreislauf gezielt stimuliert werden.
Bei der Betrachtung der oberen Grafik kann man leicht feststellen, dass auffällig viele Märkte der Eurozone zu den größten Gewinnern des laufenden Jahres zählen. Ein ähnliches Bild ist auch am Anleihemarkt anzutreffen. Dabei sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass die Geldpolitik der EZB direkt nur Anlagen, die in Euro gehandelt werden, beeinflusst. Daher verwundert es nicht, dass der US-Markt nicht nur im Segment Aktien sondern auch bei Anleihen weit hinter dem europäischen zurück bleibt (siehe nachfolgende Abbildung).
Was Anleger tun können
Die Maßnahmen der EZB haben dafür gesorgt, dass mit relativ sicheren Anlagen kaum noch Geld zu verdienen ist. Daraus ergeben sich vielfältige Probleme, aber auch positive Effekte.
Sparer, die für zukünftige Verpflichtungen vorsorgen wollen oder müssen, können ihre Ziele mit den traditionellen Anlagen in diesem Zinsumfeld nicht mehr erreichen. Diese Tatsache muss entweder akzeptiert werden oder man muss eben mehr Kapital zurückgelegen, respektive länger ansparen. Alternativ ist es denkbar, dass Anleger in höherverzinste Anlagen investieren, die mit einem höheren Risiko einhergehen. Die Möglichkeit, in eine höhere Risikoklasse zu investieren, steht übrigens nicht jedem zu Verfügung. Versicherungen, Banken, Pensionskassen und andere professionelle Anleger müssen einen Großteil ihrer Gelder in solide Anleihen investieren.
Der positive Effekt der niedrigen Zinsen ist ein Anstieg der Vermögenspreise, von der Immobilie bis zur Aktie. Dieser Effekt ist von der EZB beabsichtigt und wird als Vermögenseffekt bezeichnet. Hierdurch steigert sich das Vermögen der Anleger und diese könnten theoretisch auch mehr Geld ausgeben/investieren, zumal die unattraktiven Zinsen nicht gerade zum Sparen einladen. Auf diesem Weg soll die Wirtschaft stimuliert und die Inflationsraten wieder in Richtung der 2 %-Marke bewegt werden. Dies ist auch zwingend notwendig, denn durch die hohen Schuldenstände von Staaten, Unternehmen und Haushalten ist die Tragfähigkeit dieser nur mittels einer erhöhten Inflation zu gewährleisten (finanzielle Repression). Sollte die Strategie der Zentralbank nicht aufgehen, könnten die Anleger jedoch vor einem bedeutend größeren Problem stehen als einem extrem niedrigen Zinsumfeld.
Alternativen für den Anleger in der Übersicht
Für Anleger gibt es nur zwei Alternativen.
1. Man muss die niedrigen Zinsen akzeptieren und den realen, in einigen Fällen sogar nominalen, Vermögensverlust hinnehmen. Die Konsequenzen (längeres Arbeitsleben oder höhere Sparquote) sind nicht gerade erbaulich, doch für einige leider alternativlos.
2. Wer einen ausreichend langen Anlagezeitraum und die entsprechende Risikobereitschaft mitbringt, kann sein Vermögen ganz oder auch teilweise in Anlageklassen mit einem höheren Risikoprofil investieren. Wer sich mit diesem Gedanken befasst, sollte einen professionellen und unabhängigen Rat einholen. Denn in dem heutigen Kapitalmarktumfeld, in dem die Renditen gering sind, kann man es sich nicht erlauben große Fehler in der eigenen Anlagestrategie zu machen.
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*Die in der Vergangenheit erzielte Wertentwicklung ist keine Garantie für künftige Wertentwicklung. Die vorliegenden Informationen dienen ausschließlich Lernzwecken und sollten nicht als Anlageberatung oder Aufforderung zum Erwerb oder Verkauf eines Wertpapiers betrachtet werden.
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