Innerhalb weniger Handelstage sind alle relevanten Vermögensklassen gemeinsam gefallen. Die angenommene Ursache liegt darin, dass die US-Notenbank die Zinsen deutlicher anheben könnte, als es die Marktteilnehmer bisher angenommen hatten. Die fundamentale Erklärungskette lautet: Überraschend starke Inflation führt zu stärker steigenden Zinsen und höhere Zinsen führen zu Bewertungsabschlägen aller Vermögensklassen.
Entwicklung der wichtigsten Vermögensklassen
Die hohe Dynamik der Bewegung wird durch Handelsmodelle begründet. Der Trend zu passiven Investments und Absicherungsstrategien, die wiederum indexbasierte Terminmarktinstrumente einsetzen, verstärkt die Ausschläge am Kapitalmarkt. Das gleichgerichtete Herdenverhalten im Risikomanagement führt also zu diesen fundamental nicht nachvollziehbaren und daher überraschend starken Bewegungen.
Fundamental keine neuen Erkenntnisse
Viele Kennzahlen weisen schon lange auf hoch bewertete Vermögensklassen hin. Mit Verweis auf „nie mehr steigende Zinsen“ wurden diese Bewertungen gerechtfertigt. Die Angemessenheit vieler Bewertungskennzahlen steht damit im direkten Zusammenhang mit dem „sicheren“ Zins bzw. der Rendite langlaufender Staatsanleihen. Da die kurzfristigen US-Zinsen durch die Notenbank angehoben werden und die Renditen für zehnjährige US-Staatsanleihen auf die 3 Prozent Marke zusteuern, wird diese Zinsannahme stärker hinterfragt. Eine fallende Gewinnrendite bei US-Unternehmen und steigende Realzinsen reduzieren die Risikoprämie für den US-Markt.
Im vergangenen Jahr haben wir einen Kursanstieg gesehen, der mit einer historisch fast einmalig geringen Schwankung erfolgt ist. Kurz gesagt, die Märkte schienen nur eine Richtung zu kennen, nämlich nach oben. In diesem Umfeld wurden fundamentale Bewertungen ignoriert. Bei Kursrückgängen wie in der vergangenen Woche wird dieser Betrachtung wieder mehr Augenmerk gewidmet. Letztendlich sind das aber nur eingängige Erklärungen für die Kursbewegungen. Ein Auslöser waren sie nicht.
Dennoch sollten Anleger ihre Depots auf das Thema Zinssensitivität hin überprüfen. Hier sollte zwingend der Aktienteil einbezogen werden. Exemplarisch zeigt die Auswertung für zwei sehr beliebte Fonds den hohen Anteil von defensiven und zinssensiblen Aktien. Im konkreten Beispiel ist zu sehen, dass 80 Prozent der Aktienquote unter steigenden Nominalzinsen leider werden. In Kombination mit dem Zinsänderungsrisisiko aus den Anleihepositionen und Rentenfonds ergibt sich ein Klumpenrisiko, das oft übersehen wird.
Erfahrungsgemäß wird dieser Umstand aktuell übersehen und das Risiko deutlich unterschätzt.
Welche Zinsen steigen?
Anleger sollten zwingend zwischen dem Nominal- und dem Realzins unterscheiden. Vereinfacht gesprochen ist der Nominalzins die Betrachtung, die in den Medien und dem Alltag dominiert. Der Realzins wird seltener betrachtet. Dabei ist er mindestens genauso wichtig. Beim Gehalt schaut man schließlich mehr auf das Netto-, als das Bruttogehalt. Wie die Grafik zeigt, liegt der reale Zinsen (Nominal abzgl. Inflation) in Deutschland deutlich unter Null.
Dementsprechend sollte das Thema Zinsen immer im Zusammenhang mit der Inflation gesehen werden. Besonders bei langfristigen Sparprozessen für die Altersvorsorge wirkt dieser Effekt dramatisch und besonders heimtückisch.
Wie ökonomisch widersinnig die einheitliche Zinspolitik im Euroraum ist zeigt sich sehr deutlich an der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu den Realzinsen. Boomende Wirtschaft und negativer Realzins passen einfach nicht zusammen.
Die Folgeschäden wird man in den nächsten Jahren erkennen.
Fazit für Anleger
Die Nominalzinsen sind für die wirtschaftliche Stärke zu niedrig. Daher ist ein gewisser Anstieg, trotz der hohen Schuldenstände, für die Wirtschaft und die Staaten verkraftbar. Der spektakuläre Zinsverfall seit der Finanzkrise hat defensive und zinssensitive Vermögensklassen begünstigt. Daher sind diese in vielen Depots überdurchschnittlich stark vertreten. Aus Sicht des Sparers ist auf absehbare Zeit kein Realzins zu erwarten, der eine Vermögensmehrung möglich macht.
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