Eingestellt am 23. Juni 2017 · Eingestellt in Alle Publikationen, Markets - Markteinschätzung

In den letzten zweieinhalb Jahren ging die Ölindustrie durch die größte Krise seit den 1990er Jahren. Wie die Geschichte gezeigt hat, folgt auf einen Ölpreiseinbruch eine ordentliche Erholung, wenn nicht sogar ein Boom. Doch diesmal ist die Preiserholung sehr überschaubar, wie kann das sein?

Aussichten für den Ölpreis

Fragt man die Firmenbosse, so dauert es voraussichtlich noch Jahre, bevor der Ölpreis wieder bei $90 bis $100 steht, dies war lange die Norm, bis zum Kollaps im Jahr 2014.

Nachdem sich der Ölpreis von $30 zu Anfang 2016 auf über $50 zum Ende des Jahres erholen konnte, wuchs die Zuversicht in der Branche, dass sich der Preis bald wieder oberhalb der $60 Marke befinden würde. Diese Hoffnung wurde dieses Anfang März dieses Jahres abrupt enttäuscht, als der Preis für das Fass Rohöl unter starken Verkaufsdruck geriet. Die meisten Experten gehen davon aus, dass sich der Ölpreis im Verlauf des Sommers, wieder erholen wird.

Doch angesichts der politischen Geschehnisse in den Golfstaaten und den gewaltsamen Zusammenstößen in Venezuela, alles große Öl- und Gasproduzenten, muss man auf weiterhin große Preisschwankungen am Ölmarkt gefasst sein. Dies verdeutlichen die Prognosen der verschiedenen Wall Street Analysten, die mit ihren Kurszielen für das Fass Rohöl der Sorte Brent in einer breiten Spanne zwischen $40 und $70 liegen.

Gewinner und Verlierer von steigenden Ölpreisen

Die Gewinner eines steigenden Ölpreises sind natürlich die großen Ölkonzerne, deren Aktionäre und Angestellten. Doch auch die Länder oder Staaten, in welchen das Öl gefördert wird, profitieren durch steigende Wirtschaftsleistung und damit höhere Steuern – was nicht zwingend gleichbedeutend mit einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung sein muss.

Auf der anderen Seite führen geringere Ölpreise zu geringen Ausgaben für Treibstoff oder Heizkosten. Damit haben Konsumenten mehr Geld zur Verfügung und können dies für Konsum ausgeben.

Auf dem heutigen Niveau befindet sich der Ölpreis im Großen und Ganzen im Gleichgewicht. Dies soll bedeuten, er ist hoch genug, um Produzenten (Staaten und Unternehmen) keine großen Probleme zu bereiten. Auf der anderen Seite ist der Ölpreis nicht zu hoch, so dass Konsumenten keinen zu großen Anteil ihres verfügbaren Einkommens für Energiekosten aufwenden müssen.

Was bewegt den Preis in der Zukunft?

Die OPEC hat mit Sicherheit an Bedeutung verloren. Ihre Mitglieder repräsentieren ca. 40% der globalen Ölproduzenten.  Damit ist Fähigkeit, den Preis alleine beeinflussen, begrenzt. Abgesehen davon, dass viele Nicht-OPEC Mitglieder Rekordmengen an Öl fördern, halten sich auch Mitglieder nicht immer an die Produktionsbegrenzungen.

Die Einflussnahme ist also begrenzt. Gleichzeitig kommen Produzentn (meist aus den USA) bei höheren Preisen zurück an den Markt. Diese sogenannten Swing-Produzenten fördern erst ab einem bestimmten Preis, da sie beispielsweise ab $60 pro Fass Geld verdienen. Aus dieser Konstellation heraus ergibt sich eine Begrenzung des Ölpreises: Bei Preisanstiegen über $60 wird mehr Angebot auf den Markt kommen und den Preis wieder drücken. Solange keine großen Produktionskapazitäten ausfallen, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Ölpreis sich für Jahre in einer Bandbreite zwischen 40 und 60 für den bewegen wird. Preisbewegungen ober oder unterhalb dieser Marken sollten zeitlich begrenzt sein.

Für die Wirtschaft und die Zentralbanken ist dies ein gutes Szenario, es sollte kein großer Inflationsdruck von der Energieseite aufkommen. So müssen sich Notenbanken keine großen Sorgen um Inflation machen und können die Zinsen in homogenen Dosen „normalisieren“. Ein Umfeld das, solange es anhält, den Aktienmarkt weiter favorisiert.

Hinweise für Anleger

Insbesondere im Bereich der Rohstoffe, zu denen auch das Öl gehört, ist für private Anleger ein erhöhtes Maß an Vorsicht geboten. Wer mit den Begriffen Terminmarkt, Contango oder Backwardation nichts anfangen kann, der sollte definitiv keine Investitionen in diesem Bereich tätigen bzw. sich in jedem Fall die Unterstützung eines Beraters einholen. Denn anders als klassische Wertpapiere können Rohöl & Co. offensichtlich nicht direkt im Depot gelagert werden.

Dennoch können Rohstoffe eine sehr sinnvolle Ergänzung für die Vermögensstruktur darstellen, sofern auch hier die bekannten Regeln erfüllt sind und die Positionen zur eigenen Risikobereitschaft und zu den Zielen passen.

YPOS Kapitalmarkt-Dialog am 25. Juli 2017

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Über den Autor

Magnus Lenz, Bankkaufmann, Bankfachwirt (IHK) und zertifizierter Vermögensberater (Frankfurt School of Finance & Management) ist ein erfahrener Wertpapier-, Kredit- und Vorsorgespezialist. 2009 gründete er die Lenz Financial Wealth Management GmbH mit dem Ziel, seinen Kunden eine individuelle und unabhängige Beratung bieten zu können.