Eingestellt am 9. November 2016 · Eingestellt in Alle Publikationen, Markets - Markteinschätzung

In einem denkbar knappen Rennen sicherte sich Donald Trump die Mehrheit im Wahlmännergremium (Electoral College) und wird somit der 45. Präsident der USA.

Zunächst einmal sei vorausgeschickt, dass es für Trump schwer werden dürfte, alle von ihm im Wahlkampf verkündeten Ziele auch wirklich durchzusetzen. Auch wenn die Republikaner nun Senat und Repräsentantenhaus kontrollieren, wird Trump Kompromisse mit der Parteiführung eingehen müssen.

Die große Frage ist nun, bis zu welchem Grad er die populistischen Wahlkampfversprechen tatsächlich angeht oder ob er, wie die meisten seiner Vorgänger, von der Realpolitik eingeholt wird.

Gut möglich, dass am Ende eine mehr oder weniger konventionelle republikanische Politik umgesetzt wird und man auf die Umsetzung von wirtschaftlich schädlichen Wahlversprechen, etwa im Außenhandel oder bei der Zuwanderung, verzichtet.

Wie erklärte doch Trump selbst im Mai:

“Schauen Sie, alles was ich heute sage – ich bin nicht der Präsident. Alles sind nur Vorschläge. (…) Ich bin total flexibel, bei vielen, vielen Themen, und glaube, das muss man auch sein.” (Johnson, Jenna, “Trump: All policy proposals are just flexible suggestions”, The Washington Post, 13.05.2016)

Aktuelle Auswirkungen auf die Kapitalmärkte

Donald Trumps Sieg hat die Finanzmärkte überrascht. Die Aktienmärkte gerieten weltweit unter starken Verkaufsdruck. Am stärksten waren Schwellenländer betroffen, da die Angst vor einem steigenden Protektionismus mit möglichen Strafzöllen beispielsweise China oder Mexiko besonders negativ belasten würde. Im Tagesverlauf konnten die Aktienmärkte jedoch einen Großteil der Verluste wieder wettmachen.

Im Devisenmarkt zeigt sich der japanische Yen einmal mehr als sicherer Hafen und legt gegenüber allen wichtigen Währungen zu. Der mexikanische Peso verlor 10 Prozent gegenüber dem US-Dollar.

Am Anleihemarkt fielen als erste Reaktion die Renditen für Staatsanleihen. Diese Entwicklung relativierte sich jedoch im Verlauf des europäischen Vormittagshandels. Aufgrund der  Erwartung von Steuersenkungen und höheren Ausgaben wird die Staatsverschuldung potentiell steigen. Daher stiegen die Zinsen für US-Staatsanleihen mit langer Laufzeit deutlich an.

In den kommenden Tagen wird die Volatilität im Schatten der Wahlen weiterhin hoch bleibt. Das spiegelt auch das Ausmaß der politischen Unsicherheiten wider, das in der jüngeren amerikanischen Geschichte seinesgleichen sucht.

Politische Folgen

Fiskalpolitik

Der Kongress wird es Trump voraussichtlich nicht leicht machen, seine extravaganten Wahlkampfversprechen in die Tat umzusetzen. Nimmt man ihn allerdings beim Wort, so plant er deutlich niedrigere Steuern und höhere Ausgaben. Das liefe auf ein stattliches staatliches Konjunkturprogramm hinaus, zu einem Zeitpunkt, an dem die USA bereits nahe an der Vollbeschäftigung sind. Sollte dies nur annähernd so umgesetzt werden, würde das kurzfristig höheres Wachstum bringen, gefolgt von höherer Inflation und höheren Zinssätzen

Geldpolitik

Falls die Marktturbulenzen anhalten, dürfte die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung der US Federal Reserve (Fed) im Dezember weiter schwinden. Weniger beruhigend ist die Tatsache, dass nun ungewiss ist, wer mittelfristig in der Fed den Ton angeben wird. Dazu kommt, dass die Notenbank in Zukunft stärker unter parlamentarische Aufsicht gestellt werden könnte. Ihr Handlungsspielraum wäre dann im nächsten Abschwung wohl geringer.

Lehren für Europa

Abschließend noch ein Blick auf Europa. Verbunden mit der Frage, ob die Wahl Donald Trumps bei all den negativen Befürchtungen, die heute im Raum stehen, nicht auch etwas Gutes haben könnte.

Denn eins hat Trump geschafft: Er hat gezeigt, dass es möglich ist, etablierte Parteien und Systeme auszuhebeln, wenn es gelingt, den Unmut der unzufriedenen Bevölkerungsschichten zu thematisieren und (zumindest im Wahlkampf) ernst zu nehmen.

Ein ähnliches Bild bietet sich nicht erst seit gestern in Europa, wo aus allen Ecken und Enden populistische Parteien hervorkommen und teils aus dem Stand nicht unerhebliche Wählergruppen mobilisieren. Bei AfD, Front National & Co. hat es bislang nur für kleinere Schockmomente gereicht, Trump aber hat es bis ganz nach oben geschafft. Und eins ist klar: Mit ein paar Protestwählern und fanatischen Irren, wie es gerne dargestellt wird, ist er da sicher nicht hingekommen. Nein, es ist die Enttäuschung und Wut vieler, die sich nicht ernst genommen und schlecht repräsentiert fühlen und für die speziell Hillary Clinton das personifizierte ignorante Establishment darstellt.

Oder, um es mit den Worten Michael Moores zu sagen: …die Wahl Trumps zum Präsidenten ist ‚das größte Fuck you‘ aller Zeiten“. Sicherlich keine ganz feine Ausdrucksweise, die es jedoch auf den Punkt bringt.

Für Europa bleibt also zu hoffen, dass dieser Warnschuss nun ausreichend laut war und die etablierten Parteien doch noch rechtzeitig realisieren, dass die Populisten keine lächerlichen Irren, sondern eine reale Gefahr für den Status Quo der führenden Köpfe darstellen. Die Zeit ist knapp, aber es wäre doch ein erbaulicher Lichtblick, wenn die Wahl Trumps tatsächlich dazu führen könnte, dass Merkel, Hollande & Co. zumindest versuchen, den populistischen Parteien nachhaltig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Fazit

Die unmittelbaren Folgen des Trump Sieges sind für die Kapitalmärkte am Tag nach der Wahl glimpflich ausgefallen. Dafür mitverantwortlich ist die erste Rede des „President elect“. Trump schlug versöhnliche Töne an und weckt damit die Erwartungen bzw. Hoffnungen, aus dem Wahlkampf- in den Regierungsmodus zu wechseln.

Die Aktienmärkte in Europa und den USA notieren gegen Ende des europäischen Handels im positiven Bereich und haben die anfänglichen Verluste wieder mehr als aufgeholt. Die Hoffnung auf einen Präsident Trump, der viele der wirtschaftsschädlichen Vorhaben nur als Wahlkampfslogan missbrauchte und tatsächlich im Weißen Haus zur Realpolitik findet, ist derzeit groß. Mögliche Fiskalprogramme beflügeln aktuell den Aktienmarkt und belasten aufgrund der steigenden Inflationserwartungen den Rentenmarkt. Ob diese erste Interpretation des Kapitalmarktes auch der Realität entspricht, muss abgewartet werden. Doch der erste Schock ist vorerst überwunden.

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Über den Autor

Magnus Lenz, Bankkaufmann, Bankfachwirt (IHK) und zertifizierter Vermögensberater (Frankfurt School of Finance & Management) ist ein erfahrener Wertpapier-, Kredit- und Vorsorgespezialist. 2009 gründete er die Lenz Financial Wealth Management GmbH mit dem Ziel, seinen Kunden eine individuelle und unabhängige Beratung bieten zu können.